Fastnacht, Karneval, Eischwiele Fastelovend

 

In den Nachforschungen über die Ursprünge des vereinsgebundenen Karnevals in Eschweiler stand uns lange Zeit als Nachweis lediglich ein Zeitungsinserat des damaligen „Eschweiler Carnevals-Vereins“ aus dem Jahre 1851 zur Verfügung. Seit einigen Jahren aber wissen wir, dass es vorab schon einen Verein gab, der das damalige Fastnachtstreiben in unserer Stadt – im Jahre 1850 waren in der Gemeinde Eschweiler 8226 Einwohner gemeldet – in einen organisierten Rahmen fasste. Seit einigen Jahren haben wir Belege darüber, dass dieser Karnevalsverein, er nannte sich „Eschweiler Fratzenschneider-Verein“, zu Fastnacht 1850 einen Umzug durchführte und zu einem „Großen Maskenball“ einlud. Unterschrieben war die Einladung vom „Comitee des Fratzenschneidervereins“. Weiterhin haben wir Nachweise dafür, dass als Hauptperson der Veranstaltung ein „Hanswurst“ allen „Kreuzfidelen“ seiner Residenz in großer Aufmachung seinen närrischen Gruß entbot und ihnen das offizielle Festprogramm offerierte.

Die Genehmigung zu den vorgenannten Veranstaltungen erteilte die damalige „Königliche Regierung, Abteilung des Inneren“ in Aachen. Der in Eschweiler amtierende Bürgermeister Quadflieg, der noch am 22. Januar 1850, unter „Berufung auf die §§ 10, 11 und 17 der Königlichen Verordnung vom 29. Juni 1849“, u.a. „Alle Versammlungen und Aufzüge auf öffentlichen Plätzen“ untersagt hatte, gab diesen Bescheid weiter an die „Mitglieder des Carnevals-Comitees“.
Wir durften also zu Recht den Rosenmontagszug 2006 unter das Motto „75 Jahre Karnevals-Komitee der Stadt Eschweiler“ stellen. Hatten wir doch, wie aus den vorgenannten Anschreiben ersichtlich, bereits vor über 150 Jahren einen Vorgänger gleichen Namens
Den Rosenmontagszug 1851 gestaltete das „Festordnende Comitee“ des „Eschweiler Carnevals-Vereins“. Ob und inwieweit der „Fratzenschneider-Verein“ daran beteiligt war, ist nicht bekannt. Von ihm hören wir noch einmal 1855. In einem Bericht über die Benennungen neuer Straßen südl. der Inde (heutige Uferstraße und Neustraße) und der dadurch entbrannten Auseinandersetzung in der Eschweiler Bürgerschaft schreibt Heimatforscher Peter Beyer sen. im „Bote an der Inde“ vom 08.12.1919, Nr. 284, „…..Da jedoch der 11.11. herangekommen war, an welchem der „Eschweiler Fratzenschneider-Verein“ mit seinen karnevalistischen Sitzungen hinter der Kirche, im jetzigen Haus Dürener Straße 42 begann, wurde der Zwietracht ein rasches Ende gesetzt.
Der Karneval hatte also auch damals schon eine friedensstiftende Funktion. Danach taucht der „Fratzenschneider-Verein“ in keiner Veröffentlichung mehr auf. Es gibt keine Unterlagen darüber, ob er sich auflöste oder letztendlich vom wahrscheinlich größeren Eschweiler Carnevals-Verein aufgesogen wurde.
Es herrschte, wie aus vielen Zeitungsinseraten zu erkennen ist, in den 50er und 60er Jahren des 19ten Jahrhunderts in Eschweiler ein reges Fastnachtstreiben. Der Eschweiler Carnevals-Verein richtete sehenswerte Rosenmontagszüge aus, die sowohl in der Eschweiler Bevölkerung als auch im weiten Umland große Beachtung fanden.

Geht man einmal davon aus, dass in unserer Heimat bis zum Ende des 18. Jahrhundert die bäuerliche Fastnacht vorherrschend war, dann vollzog sich auch in Eschweiler durch Vereine wie die Fratzenschneider und den Eschweiler Carenvals-Verein in der Mitte des 19ten Jahrhunderts die Umwandlung in den aufkeimenden städtisch-bürgerlichen Karneval. Dass unsere Karnevalsvorfahren sich dabei zum Teil von romantischen Vorstellungen leiten ließen, wissen wir aus den Zusammensetzungen der Rosenmontagszüge. Es darf vermutet werden, das zeigen auch die späteren Entwicklungen und die Strukturen der nachkommenden Karnevals-Gesellschaften, dass man sich im damals „Kleinen Eschweiler“ sehr stark am „Großen Köln“ orientierte.
In den Jahren nach 1850 war es, beginnend mit dem bereits erwähnten „Festordnenden Comitee“ – wahrscheinlich auch in Anlehnung an Köln – immer ein „Comitee“ welches die Rosenmontagszüge in Eschweiler ausrichtete. Diesem Komitee gehörten neben den Präsidien der jeweiligen Gesellschaften (nach dem Eschweiler Carnevals-Verein die Große Karnevals-Gesellschaft Ulk) auch angesehene Bürger der Stadt an. Der Bürgermeister wirkte entweder als Ehrenmitglied oder als Schirmherr bei den Komitee-Beratungen mit. Selbst in den Anfangsjahren des 20ten Jahrhunderts, in denen das karnevalistische Vereinswesen einen Tiefpunkt erreicht hatte, wurden von einem „Comitee“ großartige Rosenmontagszüge organisiert, gestaltet und durchgeführt.
Im Jahre 1930 konstituierte sich erstmals aus den damals bestehenden fünf Karnevals-Gesellschaften ein so genanntes Rosenmontagszug-Komitee.
Dieses Komitee verwirklichte dann im Februar 1930 den Wunsch vieler Eschweiler Bürger nach einem Rosenmontagszug. Diesem ersten Rosenmontagszug nach dem ersten Weltkrieg folgten in den Jahren 1933 bis 1939 (1931 und 1932 fanden wegen der in Deutschland herrschenden Not keine Umzüge statt) unter der Leitung des Rosenmontagszug-Komitees prachtvoll ausgestattete Rosenmontagszüge, die alljährlich tausende Zuschauer aus dem weiten Umland nach Eschweiler zogen. Im Sommer 1938 wurden die Stadt Eschweiler als „Karnevalsgemeinde“ und das Rosenmontagszug-Komitee Mitglied des neugegründeten Bund Deutscher Karneval.
Nach dem zweiten Weltkrieg fanden ab 1947 zwar kleinere, von den einzelnen Gesellschaften innerhalb ihrer Standorte durchgeführte Umzüge statt, doch erst 1949 trat das vormalige Rosenmontagszug-Komitee erstmals wieder in Aktion und richtete 1950 den ersten gemeinsamen Rosenmontagszug nach dem zweiten Weltkrieg aus.

Im Juni 1952 wurde das Rosenmontagszug-Komitee umbenannt in Karnevals-Komitee der Stadt Eschweiler. Seitdem gehören alle Eschweiler Karnevals-Gesellschaften als stimmberechtigte Mitglieder diesem Komitee an. Das war beim Rosenmontagszug-Komitee nicht der Fall, da dieses sich lediglich für die Organisation und Ausrichtung des Rosenmontagszuges verantwortlich zeigte und ihm ansonsten keine Aufgaben zufielen. Mit der Umbenennung kamen auf das Karnevals-Komitee eine ganze Reihe zusätzlicher Aufgaben zu. Bis zum heutigen Tag vertritt es satzungsgemäß den gesamten Eschweiler Karneval sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Bei der Neugründung des Bund Deutscher Karneval im Jahre 1953 wurde das Karnevals-Komitee der Stadt Eschweiler als selbstständiger, stimmberechtigter Regionalverband in den BDK aufgenommen. 1954 wurde es in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Eschweiler eingetragen.
Wenn wir nun heute den Karneval in Eschweiler als Fest des Jahres ansehen dürfen, wenn Menschen aller sozialen Schichten in den Bann dieses Volksfestes gezogen werden, dann müssen wir dankbar anerkennen, dass unsere Vorfahren spätestens in den Mitte des 19ten Jahrhunderts den Grundstein dazu gelegt haben. Warum der Karneval gerade in Eschweiler so eine breite Basis hat, lässt sich nur schwer ergründen. Vielleicht kann man es damit erklären, dass sich immer wieder gleichgesinnte, verantwortungs- und heimatbewusste Menschen mit ausgeprägtem Gemeinschaftssinn zusammenfanden, die dazu beitrugen, dass dieses Fest seit seiner Neuorientierung organisch gewachsen ist. Es wurde nicht konstruiert, es wurzelt im Kulturgut unserer Heimat. So wie sich die Stadt weiter entwickelte und wie die Bevölkerungszahl zunahm, so entwickelte sich auch der Vereins-Karneval, und so nahm er auch einen immer größeren Raum ein. Heute ist der Eschweiler Karneval ohne Übertreibung als eine Großveranstaltung zu bezeichnen, die alljährlich einen überaus großen Teil der Bevölkerung erfasst. Gäbe es nicht den Eschweiler Karneval – unsere Stadt wäre um vieles ärmer.
Namhafte Volkskundler und Brauchtumsforscher verfolgen die Spuren dieses Volksfestes, das bis in die vorchristlichen Kulturen reicht und zu den ältesten überhaupt zählt. Sie betonen in all ihren Ausführungen, und das sollte sich auch jeder Verantwortliche im Karneval zu Herzen nehmen, dass Karneval oder Fastnacht als heimatbezogenes Brauchtum zu sehen ist und nicht als Auswuchs gewöhnlicher Festes- und Sinneslust.
Ganz sicher hat der Karneval heute eine gesellschaftliche Funktion, doch man sollte bei aller reglementierten Form, in die man das Fest kleidet, und bei aller Vornehmheit, die mancherorts gerade im Karneval an den Tag gelegt wird, seine Ursprünglichkeit nicht vergessen. Sein hoher Anspruch besteht darin, in unserer zunehmend rationalisierten Zeit Eigenschaften zu bewahren, die im Karneval immer vorherrschend waren: Ungezwungene Fröhlichkeit, Gemeinschaftssinn, Toleranz und nicht zuletzt Mitmenschlichkeit.
In den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg war der Straßenkarneval in Eschweiler stark zurückgegangen. Seit etwa 40 Jahren jedoch können wir wieder einen steten Aufwärtstrend vermerken. Es ist erfreulich zu sehen, wie sich vor allem junge Leute zu Weiberfastnacht in fantasievollen Kostümen auf den Straßen der Innenstadt vergnügen.

Die Kostümbälle tragen zu Recht ihren Namen. Wenn man auch so gut wie gar keine Masken mehr sieht, so ist der Fantasie in der Kostümierung und in der Schminktechnik keine Grenzen gezogen. Und, was sehr erfreulich ist, hierzulande fragt man immer noch zu Fastnacht: „Was ziehen wir an?“ und nicht: „Was und wie viel ziehen wir aus?!“
Der Sitzungskarneval nimmt alljährlich mit der Prinzenproklamation seinen Anfang. Die Proklamation, die als Festveranstaltung fünf Wochen vor Karnevals-Samstag stattfindet, kann ohne Übertreibung als „Das“ gesellschaftliche Ereignis in unserer Stadt angesprochen werden. Sie ist aber auch, und das muss hier ganz deutlich zum Ausdruck gebracht werden, keine Veranstaltung, zu der nur ein ganz bestimmter, ausgewählter Personenkreis Zutritt hat. Sie ist für jedermann zugänglich und erfreut sich immer eines großen Zuspruchs in der Bevölkerung.
Maßgeblicher Gestalter der Karnevalssitzungen sind die ansässigen Karnevals-Gesellschaften. Sie bestimmen Inhalt und Gepräge der Veranstaltungen. In der Wahrung unserer Muttersprache, jede in der eigenen Tradition eingebunden, geben unsere Gesellschaften dem Eschweiler Sitzungs-Karneval auch heute noch ein facettenreiches Aussehen.
Bei unseren Sitzungen nahm der höfisch-vornehme oder der intellektuell-literarische Vortrag seit jeher einen nur sehr engbegrenzten Raum ein. Unsere Büttenredner und Gesangsgruppen liebten und lieben den milieugebundenen Vortrag, der, mundartlich dargebracht, mehr der derb-deftigen, niederrheinischen Art und somit der täglichen, bodenständigen Umgangssprache der Bevölkerung entspricht.
Dabei herrschen das humorvolle Verweilen bei kleinen Alltäglichkeiten, harmloser Spott. Grielächerei und Schabernack vor. Heitere Selbstverulkung und Selbstironie sind feste Bestandteile der Vorträge. Beißender Sarkasmus und verletzender Hohn sind verpönt. Letztendlich haben unsere Sitzungen auch heute noch einen familiär-persönlichen Charakter. Sie vermitteln den vielen Besuchern immer wieder Stunden unbeschwerter Fröhlichkeit, vor allem aber das durch keine noch so perfekte elektronische Unterhaltung und durch keinen Teil der heutigen vielfältigen Medienlandschaft zu ersetzende Gemeinschaftserlebnis.
Wir müssen uns allerdings davor hüten, das gilt aber wohl für den gesamten Karneval, dass unsere Sitzungen in die Kategorie der Veranstaltungen abgleitet, die der ausschließlich professionell auf Profit ausgerichtete „Geschäftemacherei“ dienen und die man in anderen Landstrichen unverschämter Weise als rheinische Fröhlichkeit ansieht. Letztere würden den enormen Aufwand, der für eine Karnevals-Sitzung geleistet werden muss, nicht mehr rechtfertigen.
Der Eschweiler Rosenmontagszug hatte schon vor über hundert Jahren eine enorme Anziehungskraft in und außerhalb unserer Vaterstadt. Heute dürfen wir ihn als unübersehbares Zeichen einer seit Jahrzehnten ersprießlichen Zusammenarbeit aller dem Karnevals-Komitee der Stadt Eschweiler angeschlossenen Gesellschaften werten. Er stellt nicht nur in jedem Jahr den Höhepunkt der Session dar, er wird auch für jeden Eschweiler Karnevals-Prinzen zu einem unauslöschlichen Erlebnis. Sein Erscheinungsbild in seiner bunten Vielfalt ist der Ausdruck des Ideenreichtums und der Kreativität seiner Teilnehmer. Seine Größe stellt ein effektvolles Zeichen freier Lebenskraft und sich immer wieder neu behauptender Unternehmensfreude dar. In den letzten Jahren sind es insgesamt etwa 6.500 Teilnehmer, in deren Verband sich ca. 65 Musikeinheiten, rund 120 kostümierte Fußgruppen und 130 Fahrzeuge befinden, die auf einem nahezu 6 km langem Weg weit über 150.000 (von der diensthabenden Polizei ermittelt) Zuschauer begeistern. Wir sind stolz auf diesen Rosenmontagszug, der mehr als alles andere die Vitalität des Eschweiler Karnevals kennzeichnet, wir sind stolz auf unsere Karnevals-Gesellschaften, die diesen Zug, der ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert wird, gestalten. Warum die Akteure und die unzähligen Helfer im Hintergrund immer wieder mit Begeisterung bei der Sache sind, kann man nur damit erklären, dass ihnen auch heute noch Eigenschaften wie Traditionsbewusstsein, Freude an der Gestaltung und am Gelingen und nicht zuletzt Heimatliebe nicht abhandengekommen sind. Wir sind sicher, dass sich diese Eigenschaften auch auf die Planungen der kommenden Rosenmontagszüge auswirken werden.

Für uns, das Karnevals-Komitee der Stadt Eschweiler, ist es eine große Ehre und Verpflichtung, bei aller Offenheit für zeitbedingte Änderungen und Wandlungen, das von unseren Vorvätern ererbte Brauchtum als überliefertes Kulturgut, als „Oss Eischwiele Fastelovend“, zu erhalten, zu hegen und zu pflegen.

Jupp Carduck, Komitee-Ehrenpräsident (+ 2009)
Norbert Weiland, Komitee-Präsident